Queer – was bedeutet das eigentlich?

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Der Begriff „queer“ kritisiert die Haltung, die die Gesellschaft gegenüber Sexualität, Geschlecht und weiteren Bereichen des Lebens hat. Kritik wird an der gesellschaftlichen Norm geübt, weil Heterosexualität als die „richtige“ Sexualität oder männlich und weiblich als die einzigen Geschlechter normalisiert werden.  Dadurch werden Heterosexuelle gegenüber Nicht-Heterosexuellen privilegiert (Fachbegriff: Heteronormativität). „Queer“ kommt aus dem Englischen und bedeutet seltsam oder merkwürdig. Ursprünglich wurden damit auch Schwule in einer negativen Art und Weise beschrieben. Doch mittlerweile wird das Wort immer häufiger als ein positiv wahrgenommenes Synonym für die Vielfalt sexueller und geschlechtlicher Identitäten genutzt (homosexuell, bisexuell, transsexuell, intersexuell, asexuell, pansexuell, polyamourös uvm.). Auch heterosexuelle Menschen können „queer“ sein, wenn sie zum Beispiel nicht in die traditionellen Geschlechterrollen passen, gegen die Norm gehende sexuelle Praktiken ausleben (z. B. BDSM) oder aber sich selbst nicht hauptsächlich anhand ihrer Sexualität und/oder ihres Geschlechts definieren. Queer steht aber ebenso für von der Gesellschaft nicht akzeptierte Formen der Sexualität, wie z. B. Prostitution oder Sex zwischen Menschen verschiedener Generationen oder unterschiedlicher Herkunft.

Die noch relativ jungen Queer Studies agieren entgegen scharf trennender Kategorien und Vereinheitlichungen. Es wird kritisiert, dass mit Bildung von Kategorien wie „homosexuell“ oder „heterosexuell“ alle Personen innerhalb dieser Identitäten gleich gesetzt werden, obwohl es aber zum Beispiel auch unter Homosexuellen große Unterschiede gibt und es zu Abgrenzung und Ausgrenzung kommen kann (Fachbegriff: Homonormativität). Homosexuell ist also nicht gleich homosexuell. Es gibt Lesben und Schwule aus unterschiedlichen Ethnien, Schichten und Generationen und natürlich kann auch das Geschlecht eine entscheidende Rolle spielen. Schwule können sich zum Beispiel von Lesben abgrenzen (und umgekehrt), genauso wie junge und ältere Homosexuelle voneinander. Die Identität ist nicht nur beschränkt auf die Sexualität. Gleichzeitig kritisieren die Queer Studies, dass in den Sozialwissenschaften (und in der Gesellschaft) Homosexualität immer mehr Aufmerksamkeit bekommt wohingegen andere Identitäten wie die Bisexualität oder Transsexualität weiterhin ignoriert oder verurteilt werden.
Queer Studies sind eng verwurzelt mit feministischem Denken und hinterfragen daher beispielsweise, wie Rollenbilder im Zusammenleben von Mann und Frau entstanden sind. Inzwischen sind queere Theorien Thema in vielen wissenschaftlichen Disziplinen wie Soziologie, Philosophie, Geschichte, Gender Studies und Cultural Studies.  Im englischsprachigen Raum konnten sich die Queer Studies sogar bereits zu einer eigenständigen Disziplin entwickeln.

Auch in der Geographie spielen Queer Studies eine wichtige Rolle. Der raumbezogene und vor allem der Disziplinen-übergreifende Blick von Geograph*Innen eignet sich besonders zur Beschäftigung mit queeren Themen. Wie können Schwule und Lesben sowie Transsexuelle und Intersexuelle beispielsweise eine Stadt oder ein Viertel prägen? Warum werden homosexuelle Paare in Deutschland bei Heirat und Adoption diskriminiert, während Heterosexuelle an dieser Stelle bevorzugt werden? Wie entstehen diese heteronormativen Räume? Welche Machtgefüge stecken hinter solchen traditionellen Rollenbildern? Die Fragestellungen von Geograph*Innen sind sehr facettenreich.

Geschrieben von Iris und Sebastian im April 2014.

Literaturhinweise:

  • BROWNE, K. (2006): Challenging Queer Geographies. Oxford & Malden.
  • GREEN, A. I. (2002): Gay but not queer: Toward a post-queer study of sexuality. In: Theory and Society 31: 521-545.
  • OSWIN, N. (2008): Critical geographies and the uses of sexuality: deconstructing queer space. In: Progress in Human Geography 32 (1) (2008): 89-103.

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